Bewegung ist Leben
Lediglich ein kleiner Anteil von Bewegungen unseres Körpers wird auf bewusste Weise ausgeführt. Dies umfasst die willkürlichen Bewegungen unserer Gliedmaßen, des Rumpfes und der Mimik. Der weitaus größere Teil läuft unwillkürlich ab, bestimmt von anderen Instanzen. Das Herz pumpt in jeder Minute bis zu 30l Blut durch unseren Körper. Die Lungen expandieren und retrahieren im Takt unseres Atems. Blut und Lymphe fließen in tausenden Kilometern von Gefäßen. Nerven dringen in nahezu jeden mm³ unseres Körpers. Die Nieren reinigen täglich um die 1.500l Blut. Unser Verdauungsapparat verarbeitet unsere Speisen zu resorbierbaren Kleinstbestandteilen, welche bis an die einzelne Zelle transportiert werden.
Alle Gewebe unseres Körpers sind in ihrer Bewegung aufeinander abgestimmt und arbeiten in einer feinen Wechselbeziehung zueinander. Alles läuft Hand in Hand.
Traumata auf körperlicher Ebene ( Unfälle, Stürze, Brüche, Operationsnarben, Verstauchungen, primäre Gelenksblockaden usw.), nutritiver Ebene (durch Fehlernährung, Giftstoffe, Medikamente usw.) und psychoemotionaler Ebene ( Dauerstress, usw.) bringen die Bewegung in unserem Körper teilweise zum Erliegen oder hemmen die Strukturen in ihrer Funktion. Die Konsequenz daraus sind Schmerz, Immobilität, Krankheit. Infolge der engen Zusammenarbeit unserer verschiedenen Gewebstypen reagiert nie allein ein einzelnes Körpersystem. Andere Systeme springen ein, übernehmen Aufgaben, führen zu Schonhaltung und anderen Kompensationsmustern. Das Trauma wird somit an andere Gewebe durchgereicht. Ist die Kompensationskapazität unseres Körpers ausgereizt, ist ein freies Bewegen nicht mehr möglich. Die Gewebsheilung regeneriert gegebenenfalls die betroffene Struktur. Die funktionelle Bewegungseinschränkung bleibt jedoch erhalten, beeinflusst angrenzende fasziale Strukturen und verursacht Zug an diesen.
Eine Mobilitätsstörung auf Lungenebene (z.B. bedingt durch eine abgelaufene Lungenentzündung) kann somit über Beeinflussung des Lungen- und Rippenfells, welches eng mit der mittleren Halsfaszie korreliert, Zug auf Hals-, Nacken- und Kopfbereich bringen und dort für Probleme sorgen. Viele kennen die Tatsache, dass Nackenmassagen, Wärmeanwendungen usw. nur kurzfristige Linderung bringen, solange, bis die Hals- und Nackenmuskulatur (in diesem Fall) dem Zug aus dem Brustkorb wieder nachgeben müssen und die Beschwerden erneut auftreten. Vergleichbar ist dieses Gedankenkonstrukt mit einer Krawatte, die man um den Hals trägt, an der ein Gewicht (Zug) hängt. Dieser Zug überlastet Nacken- und Halsmuskulatur und verursacht Nackenschmerzen. Auch hier ist es der effektivere Weg, den Zug zu verringern oder zu entfernen, als den Nacken zu unterstützen.
Der Osteopath macht sich bei seiner Arbeit auf die Suche nach sogenannten „dirigierenden Dysfunktionen“ und versucht dem Körper durch deren Auflösung wieder eine verbesserte Kompensationskapazität zu ermöglichen. Er orientiert sich hierbei an Anatomie und Physiologie des menschlichen Organismus. Esoterische und sonstige dubiosen Inhalte sucht man in der Osteopathie vergebens.
Wofür der Körper die neu gewonnene Bewegung nutzt, hat weder der Patient noch der Osteopath in der Hand, so dass die Reaktion auf eine osteopathische Behandlung vielfältig und nur teilweise vorhersehbar sein kann.
Die osteopathische Arbeitsweise orientiert sich somit nicht ausschließlich am vorliegenden Krankheitsbild, sondern am momentanen Status des Patienten. Das Wort „Ganzheitlichkeit“ ist in aller Munde. Die Vorstellung einer wirklich ganzheitlichen Behandlung ist vermessen und unerreichbar. In den seltensten Fällen sind die Behandler Ökotrophologen, Lebensberater, Psychotherapeuten und Psychologen, Osteopathen und Personaltrainer in einer Person und wären auch als solche nicht dazu in der Lage, die kompletten Lebensumstände und vorangegangene Traumata zu erfassen, jedoch versucht der Osteopath, sich dem Patienten unvoreingenommen zu nähern, ihn dort zu unterstützen, wo Hilfe vonnöten ist und ihn definitiv nicht nach „Schema F“ zu behandeln.