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Atmung

Gedanken zum Thema aus osteopathischer Sicht.

Vorab:  Ich  werde  in diesem Artikel (zum besseren Verständnis)  einige Punkte  stark  vereinfachen und  die Beschreibung von Strukturen und Funktionen fortlassen. Der Text  ersetzt  selbstverständlich weder einen  Kurs für Anatomie noch einen für die normalen Lebensvorgänge  (Physiologie).

Es gibt in uns „Körperhöhlen“, die weitgehend voneinander getrennt sind.    Das sind Schädel-, Brust-und  Bauchhöhle  und  nur unvollständig abgesetzt das kleine Becken.

Die Schädelhöhle enthält unser  Gehirn,  die führende Schaltzentrale  unseres Organismus. Geschützt wird diese Höhle durch unsere Schädelknochen. Die Hauptschaltleitung vom Hirn zu unserem Organismus, das Rückenmark, verlässt den Schädel an dessen Basis durch das Hinterhauptloch (Foramen magnum)  und erstreckt sich durch die Wirbelsäule bis es in der Lendenwirbelsäule endet.

Die Brusthöhle  ist  Sitz unserer  Lunge und des Herzens. Begrenzt wird dieser Bereich durch den Rippen-Wirbelapparat  (Thorax), nach unten hin durch das Zwerchfell, welches Durchtrittsstellen für die Hauptschlagader ( Aorta  abdominalis), die untere Hohlvene zum Herzen und die Speiseröhre besitzt.  Nach  oben hin  ist der Thorax  durch die so genannte  „obere Thoraxapertur“   ( ATS) begrenzt ( die genauere Beachtung fordert und deshalb in einem weiteren Artikel behandelt werden soll).

In der Bauchhöhle  nimmt der Verdauungsapparat den größten Raum ein. Sie enthält weiter die Leber, die Milz, die Bauchspeicheldrüse und als paariges Organ die Nieren. Begrenzt wird der Bauchraum zum Brustkorb hin durch das Zwerchfell und im Übrigen durch die Leibeswand, die von Bauchfell ausgekleidet ist. Das innere Bauchfell (Peritoneum viscerale) enthält Gefäße und Nerven für den Darm. Vorstellen kann man sich das als Vorhang, der an der Vorhangschiene an der hinteren Bauchwand angebracht ist und unten am Darmansatz in Falten gelegt ist. Die Entwicklung des Menschen ist äußerst komplex und so liegen Nieren und ein Teil des Darmes außerhalb des äußeren Bauchfells an der Leibeswand fixiert.

In der Beckenhöhle liegen Harnblase und Enddarm sowie unser Fortpflanzungstrakt, abgesehen von den Hoden. Begrenzt wird das kleine Becken rundherum durch die Beckenknochen und das Kreuzbein, nach unten durch die Beckenbodenmuskulatur  und nach oben hin durch das Bauchfell, das von einer spiegelnden hauchdünnen Zellschicht gebildet wird.

Warum nun diese lange Einführung und Erklärung der Körperhöhlen?

Der menschliche Organismus muss mit seiner Energie haushalten.

Bauch und Beckenorgane nehmen sich mitunter „ Auszeiten“. Der Darm arbeitet nicht in allen Situationen gleich viel  und  auch Ihre Nieren werden in der Nachtzeit wie auch blutdruckabhängig in ihrer Aktivität gedrosselt. Das Hirn arbeitet permanent,  jedoch auch nicht immer  auf  Hochtouren.  Das Besondere am Thorax ist,  dass  die darin gelegenen Organe  (Herz und Lunge)   permanent  ohne Pause  arbeiten und unglaubliche Mengen an Blut und Luft bewegen. Auch hier unterscheiden sich Ruhezeiten und Zeiten des Hochleistungssportes. Lunge und Herz  arbeiten, wenn auch auf andere Weise, vom Mutterleib  an bis „zu unserem letzten Atemzug“.

Motor für die Atmung  ist das Zwerchfell, welches bis zu 80% der Atemluft bewegt. (https://de.wikipedia.org/wiki/Zwerchfell) Gesteuert  wird das Zwerchfell über unser Atemzentrum, welches im verlängerten Rückenmark,  auf Höhe des oben genannten Hinterhauptloches sitzt.  Von der Halswirbelsäule zieht ein Nerv ( Nervus phrenicus),  paarig angeordnet,  durch den Hals, der Speiseröhre folgend,  zur Zwerchfellmuskulatur, die sich bei Einatmung anspannt  und  dabei nach unten abflacht. Bei jeder Einatmung senkt sich das Zwerchfell um ca. 2,5 cm,  dehnt die Lunge, zieht den Herzbeutel nach unten  und  drückt auf die Bauchorgane,  die zum großen Teil Hohlorgane  sind  und  in ihrer Funktion  von der rhythmischen „Zwerchfellpumpe“  profitieren.

Lassen Sie mich kurz den Aufbau des Brustkorbes genauer beschreiben.

Wer einmal Spare Ribs gegessen hat, weiß, dass zwischen den Rippen Muskulatur/ Fleisch liegt. Sieht man genau hin, erkennt man, dass unter jeder Rippe Blutgefäße und ein Nerv liegen.  Auf der Innenseite  der  Rippen  befindet  sich das Rippenfell.

Unter dem Rippenfell (Pleura parietalis) ist ein Gleispalt.  Darunter liegt die Lunge mit dem umgebenden Lungenfell (Pleura visceralis). Wenn Sie zwischen zwei Glasplättchen einen hauchdünnen Flüssigkeitsfilm haben, können Sie zwar die Glasplättchen leicht gegeneinander verschieben,  jedoch nur mit großer Kraft voneinander lösen. So folgt die Lunge in ihrer Dehnung vollständig der Brustkorbbewegung. Die Lunge selbst können Sie  sich als einen Verbund  aus Millionen winziger Lungenbläschen vorstellen,  alle  mit Blutgefäßen umrahmt, vergleichbar einem Ball in einem engmaschigen Einkaufsnetz. Die in die Lungenbläschen beim Einatmen gelangte sauerstoffreiche Luft  gibt den Sauerstoff an die Blutgefäße ab und versorgt dabei  die Organe mit sauerstoffreichem  Blut. Gleichzeitig gelangt das  CO₂ aus dem sauerstoffarmen Blut in die Ausatemluft. Bei jedem Atemzug wird Luft in die Lunge gezogen und „ausgetauscht“ wieder ausgeleitet. Das Herz liegt im Herzbeutel eingestülpt direkt unter dem Brustbein. Der Herzbeutel ist  mit dem Zwerchfell verwachsen und  über Bänder (pericardiale Ligamente) mit dem Brustbein und der Luftröhre verbunden.

An der Zwerchfellunterseite  hängt die Leber und über weitere Bänder sogar  die Nierenfaszien.

Was passiert nun bei der Atmung?

Die Atmung kann zwar bis zu einem gewissen Grad bewusst gesteuert werden,  jedoch nur  solange  das Bewusstsein fokussiert  auf  die Atmung gerichtet ist. Auch ist der Atemantrieb so beherrschend, dass man die Luft nur bedingt anhalten kann.  99% der Zeit  läuft die Atmung über das Atemzentrum automatisch und sendet die entsprechenden Informationen über Nerven  an  Lunge und Atemmuskulatur. Das Zwerchfell flacht beim Atmen ab und zieht Atemluft durch unsere Atemwege in die Lungen. Der Gasaustausch findet  in den einzelnen Lungenbläschen statt. Die Senkung des Zwerchfells  führt zu einem Zug an den Herzbeutelbändern und gibt Druck auf das Herz. (Versuchen sie mal,  Ihren Puls zu fühlen während normaler Atmung  und dann bei maximaler Einatmung und darauf folgendem Anhalten der Luft.  Die Herzfrequenz ändert sich teilweise drastisch). Die Bauchorgane gelangen unter  Druck,  der Bauch wölbt sich bei tiefer Einatmung nach außen vor. Teilweise läuft die „Atemwelle“  bis ins kleine Becken,  gegebenenfalls  bis hin zur Beckenbodenmuskulatur.

Aufgabe  des Zwerchfells  in der Körperstatik.

Bleiben Sie genau so wie jetzt  vor dem Bildschirm sitzen.

Sie  sind in der Brustwirbelsäule gebeugt, das Gesäß ist bei vielen Lesern  auf dem Stuhl nach vorne  gewandert  und der Bauch ist sehr „ Kurz“   sprich:  Sie stützen sich während des Sitzens mit Ihrem Zwerchfell auf  die Bauchorgane.  Wenn  man  sich  fragt,  warum ist es so bequem  „rund“ zu sitzen oder zu stehen, wird einem schnell klar,  dass  es der Rückenmuskulatur  sehr  viel  Arbeit abnehmen  kann,  wenn man  sich  mit seinem Zwerchfell  vorne abstützt.

Was bringt mir nun dieser Artikel?  Was kann ich hieraus entnehmen?

Anatomie und Physiologie  sind  zwar  interessant,  jedoch ist es nicht notwendig,  dies zu wissen.    Sie  soll  in diesem Fall  nur  zum Verständnis des  folgenden  beitragen.

Wenn das  Zwerchfell  durch  verschiedene Faktoren  daran gehindert  wird,  leichtgängig nach unten zu gleiten,  z.B.  durch „runde“ Körperhaltung,  durch Übergewicht,  durch Blähungen im Darm (Meteorismus), müssen wir  eine enorme Mehrarbeit  zusätzlich mit unserer  Atemhilfsmuskulatur  leisten.  Die Atemmuskulatur  liegt  zwischen den Rippen  und  die Atemhilfsmuskulatur vor allem   zwischen Halswirbelsäule  und  Rippen.  Diese  Muskeln  ziehen  die  Rippen  nach oben  und oben außen      und  benötigen hierfür  logischerweise einen Fixpunkt an der Halswirbelsäule.   Folge hiervon  sind Verspannungen  der  Nackenmuskulatur.  Wir werden  auf  der Suche  nach  Haltepunkten  für  die  Atemhilfsmuskulatur  noch steifer im Nacken  und  können  sogar  einen  „Witwenbuckel“  ausbilden.

Ab einem gewissen Punkt etabliert  sich ein  Teufelskreis aus  eingeschränkter  Mobilität  und  Versteifung zur besseren Kraftübertragung.   Wenn beispielsweise  der  Nacken  permanent verspannt  ist  und  Massagen  nur  kurzzeitig helfen,  muss  man über  mögliche  Ursachen  für    diese Problematik nachdenken.

Ein gut ausgebildeter Osteopath kann  Ihnen bei der Diagnose  und  bei  der Behandlung helfen.

Was  kann ich  als Betroffener nun  selbst  tun?

Jeder kann,  völlig unabhängig von  Vorerkrankungen und  Fitnesszustand  von Atemübungen profitieren.

Man  legt sich auf den Rücken,  lege die  Hände  auf  den  Bauch  und  atme  tief  und  locker  ein und aus.  Bewegt  sich der Bauch?   Wie  tief läuft meine Atemwelle?  Läuft  die  Atemwelle  sogar bis  zum Schambein?     Machen Sie  auf  diese beobachtende Weise  20 bis 30 tiefe Atemzüge  ( bei Schwindel  bitte  wieder „normal“ atmen).

Wenn  diese Übung in Rückenlage  gut funktioniert,  versuchen  Sie  diese Übung im Stand  und  Sitzen auszuüben.  Je  aufrechter Sie  sitzen,  desto schwieriger  ist  dies  anfangs.

Auf  diese  einfache  Art  und Weise  trainieren Sie  Ihr  Zwerchfell  und geben  Ihrem Körper  das  Gefühl,  wie  sich ein tiefer Atemzug anfühlt.

Steigern  Sie  die  Wiederholungszahl   langsam   bis  Sie  bei ca.  3 Minuten  Atemübung  angekommen sind.   Versuchen Sie  im Alltag  beim Gehen und bei anderen Aktivitäten auf die Atmung zu achten.

Bei  Fragen  oder Anregungen  können  Sie  sich gerne  über das Kontaktformular  an mich wenden.

Mit freundlichen Grüßen

Fabian Neuhaus